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John Jones ist wohl am bekanntesten als kraftvoller und charismatischer
Sänger der englischen Formation Oysterband, einer der führenden
Bands der britischen Folkrock- und Politrock-Szene, ausgezeichnet
mit zahlreichen Preisen. Parallel dazu bewegt sich John auf eigenen
Pfaden und "Never Stop Moving" markiert die zweite CD
seiner Solokarriere und ist gleichzeitig sein bisher kreativstes
Album.
Der Hintergrund dieses Albums ist interessant, denn es entstand
in einer wichtigen Phase sowohl für die Oysters als auch für
John. Die Oysterband hatte bereits mit Ray "Chopper" Cooper
ein langjähriges Mitglied an eine Solokarriere verloren und
begann zu einem reduzierten, mehr traditionellen Sound überzugehen.
Und dann, wie aus dem Nichts, hatte John einen großen Kampf
mit einer ernsten Krankheit - und das alles sorgte für eine
besondere Konzentration auf das Songwriting und auf dessen emotionalen
Inhalt.
"'Never Stop Moving'", erzählt John, "habe ich
während der Arbeiten zum aktuelles Album der Oysterband in
den letzten drei Jahren geschrieben, nicht unterwesentlich beeinflusst
von meinen Wanderungen kreuz und quer durch meine Heimat. Ich hoffe,
es spiegelt meine Begeisterung für diese versteckten kleinen
Dörfer, für dieses schöne, neugierige und widersprüchliche
Land und die eindringlichen Geschichten, die unter der Oberfläche
vorhanden sind, wider.
Zwangsläufig ist dies auch ein Teil meiner eigener Geschichte,
denn während der Entstehung der Songs wurde bei mir Ende letzten
Jahres Darmkrebs diagnostiziert. Es folgte eine unheimlich kreative
Phase und aus den großen Songs, die aus kleinen Geschichten
entstanden sind, die eigentlich mein großartiges English Folk-
und Country-Album bilden sollten, wurden nun die Songs, die mein
Überleben und die Freude am Leben zu sein, dokumentieren.
Ich wollte, dass das Album eine sanfte Aufbruchstimmung hat, auch
in den dunkleren Geschichten, und als der Song Never Stop
Moving" so ziemlich zum Schluss dazukam, schien dieser genau
meinem Gefühl als Überlebender zu entsprechen und wurde
so zum Titel des gesamten Albums."
"Irgendwann und irgendwo in meinem Leben", so John weiter,
"haben sich die Pracht der Folklore, die Macht des Geschichtenerzählens,
Kirchenmusik, Punk und Northern Soul miteinander verflochten und
mitgeholfen, meine Musik zu formen. Irgendwie wird meine Stimme
in meinem Alter immer stärker und origineller, was ziemlich
erfreulich ist. Die Songs sind ein Produkt meiner Phantasie, die
in diesen Tagen freier zu sein scheint - rücksichtslos, aber
nicht so bitter und böse".
Mit auf diesem musikalische Ausflug sind eine Vielzahl von talentierten
Musikern und Sängern, darunter Al Scott, Benji Kirkpatrick,
Lindsey Oliver, Tim Cotterell, Boff Whalley, Rowan Godel und François
Deville, deren instrumentale und gesangliche Beiträge eine
perfekte Passform für Johns Gesang, Kompositionen und musikalische
Visionen bilden.
"Ich denke immer, dass im Gegensatz zu den kleinen, persönlichen
Liedern eines riesigen Landes, die dieses auch charakterisieren
sollen, also zum Beispiel amerikanische Country-Musik, haben britische
Folk-Balladen hier auf einer so kleinen Insel ein episches Ausmaß
und tiefere Bedeutung. 'Big Songs from a small country" - so
lautet für mich die Zusammenfassung dieses Album, aber natürlich
könnte dieser Ausdruck auch nur eine Geisel des Glücks
sein".
Rising Road: John Jones kehrt auf seinem ersten Soloalbum
zu seinen Wurzeln zurück. Gemeinsam mit alten und neuen Freunden
bearbeitet er einige wunderbare Traditionals, die er in seiner Jugend
geliebt hat, gepaart mit einigen schönen, selbst geschriebenen
Songs.
Die Idee zu diesem Album entstand, als er in einer kurzen Schaffenspause
der Oysterband mit seinen Freunden Benji Kirkpatrick (Bellowhead,
Faustus) und Seth Lakeman tourte. Die Zusammenarbeit war so gut,
dass der erste Gedanke für ein gemeinsames Projekt geboren
war. Vier Jahre später war Rising Road beschlossene Sache.
Das Programm bietet musikalische Beiträge von Benji und Seth,
wie auch von Ian Kearey (Banjo, Dulcimer), Rowan Godel (Gesang),
Sophie Walsh (Harfe), Dil Davies (Perkussion, Schlagzeug), Francois
Deville (Pedal Steel Guitar) und Alan Prosser (Gitarre). Produzent
Al Scott steuerte, wo erforderlich, zusätzliche Klangfarben
bei.
John liebt die britischen Naturlandschaften und war schon immer
davon überzeugt, dass die traditionellen Lieder fest zu den
wunderbaren Landschaften gehören. Deswegen entschied er sich
für Lieder, die diese Überzeugung reflektieren: "Eine
Menge Lieder, die ich singe, sind traditionell. Ich bin kein Städter
- ich denke, Folklore sollte ländlich und für alle offen
sein. Wenn ich singe, stelle ich mir die Bilder zu den Songs vor
- und die Landschaft ist nun mal ein sehr großer Teil des
Ganzen. Viele der Songs auf dem Album sind neu entstandene Erinnerungen
an Liedern, die ich seit vielen Jahren kenne. Ich entschied mich
für Songs, die für mich eine Geschichte enthalten, eine
feste Verbindung zu mir haben."
Das Album ist intimer als die Oysterband-Produktionen. Johns gesamte
stilistische Spannbreite kommt zur Geltung. Das traditionelle Polly
On The Shore zum Beispiel erfährt eine brillante, leichte a-capella
Neubearbeitung, die mehr nach amerikanischem Süden als nach
britischer Countryside klingt. "Ich habe mir viele von Alan
Lomaxs amerikanischen Gefängnis-Landarbeiter-Aufnahmen angehört
und dieser perkussive Bezug vom Lied zur Arbeit schien genau richtig
zu sein."
Neben sieben traditionellen Liedern - unter anderen das sanfte
Rocks Of Bawn, das ergreifende Newlyn Town und das mitreissende,
shanty-angehauchte Fire Marengo - finden sich fünf von John
neu geschriebene Titel. - "Einige der Lieder, die ich für
dieses Album geschrieben habe, haben einen existierenden Platz auf
der Landkarte". Darunter ist das Stück Walking Through
Ithonside, welches das wilde, ungezügelte walisische Land erforscht,
in dem er lebt. Diese Neu-Verbindung von Landschaft und Musik ist
einer der wichtigsten Punkte in der Entstehung von Rising Road.
Das Album gibt ebenso einen Einblick in Johns Walking Tour vom Frühjahr
2009. John wanderte von seiner walisischen Heimat zu allen Auftrittsorten
der Tour, die beim großen Oysterband-Big-Session-Festival
in Leicester endete - eine Strecke von immerhin über 300 Kilometern.
Die Themen des Albums (wie auch der Titel) atmen auch die Erfahrung
von einigen Wochen auf der Straße, in denen Fans, Freunde
und Musiker ihn immer wieder zu Fuß zu den Konzerten begleiteten.
Teils als Test der Ausdauer, teils als verrückte Idee, teils
aus Liebe zur heimischen Natur - diese Wanderung half ihm enorm,
seine Gedanken über das neue Album zu kristallisieren.
"Ich habe soviel Zeit in meinem Leben mit Reisen verbracht,
aber das meiste davon in einem Tourbus sitzend. Ich schaue meist
aus dem Fenster und sehe die Schatten der Berge, die vorbeiziehen,
und frage mich immer, wie es wohl wäre, da draußen zu
sein", sagt John. Die Idee zur Wanderung und zum neuen Album
entwickelten sich zu Zwillingsprojekten und jeder, der daran beteiligt
war, war so begeistert, dass John hofft, dass dies nicht die letzte
Walking Tour gewesen ist.
Stellt sich noch die Frage, warum nach 30 Jahren Musik das erste
Soloalbum? "Die anderen Mitglieder der Band haben schon öfter
ihre eigenen Projekte gemacht. Aber für mich als Sänger
ist das schwerer, denn meine Stimme war immer fest mit der Musik
der Oysterband assoziiert", erklärt John. Aber die Idee
für das Solo-Album brodelte seit Jahren in ihm. Da kam die
Tatsache, dass die Oysterband sich 2009 eine sechsmonatige Pause
gönnte für die Realisierung gerade recht. "Mit Rising
Road hatte ich nun endlich die Chance zu zeigen, was ich tue
und wer ich bin, wenn ich nicht als Frontmann der Oysterband agiere".
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