Deutsch: Drehleier / Radleier
("Leier" von (alt-griechisch
"Lyra")
Französisch: Vielle / Vielle à Roue
Englisch: Hurdy-Gurdy
Italienisch: Ghironda
Die Drehleier (Hurdy-Gurdy / Vielle) ist ein Streichinstrument,
dessen Saiten nicht mit einem Bogen, sondern mit einem Kurbelrad
angestrichen werden. Das funktioniert so, als gäb es da einen
endlosen Bogen. Über den Schallkörper (Resonanzkasten)
laufen eine oder zwei Melodiesaiten, die nicht (wie bei der Gitarre)
mit den Fingern, sondern durch Druck auf Tasten verkürzt werden.
Daneben werden zwei oder vier Bordunsaiten vom Rad mitangestrichen.
Die Drehleier hat - je nach Bauart - eine unterschiedliche Anzahl
von Saiten, die wiederum unterschiedliche Aufgaben bei der Klangerzeugung
erfüllen. Es gibt die Melodiesaiten, deren Länge durch
den Druck auf die Tasten, die sogenannten Tangenten, verkürzt
werden und so das Spielen einer Melodie ermöglichen; das hat
sie mit der Schlüsselfiedel (Nyckelharpa) gemeinsam. Die Melodiesaiten
sind oft verschieden gestimmt - man kann so in unterschiedlichen
Tonarten spielen, in dem man die nicht benötigte Saite einfach
"abstellt". - Die Bordunsaiten dienen dazu einen anhaltenden
Ton zu erzeugen, der während des gesamten Spieles unverändert
mit erklingt. Diese Saiten sind in Grundton und Quinte gestimmt.
So entsteht ein Klang, der dem einer Sackpfeife sehr ähnlich
ist. - Die Schnarrsaite ist eine Bordunsaite mit einer besonderen
Aufgabe: wird das Rad in eine ruckartige, schnellere Drehung versetzt,
bringt diese Saite einen speziell geformten und beweglichen Steg
zum Schwingen, der ein schnarrendes Geräusch erzeugt. Das dient
zur rhythmischen Untermalung der Melodie. Manche Drehleiern haben
zusätzlich noch Resonanzsaiten, die das Rad nicht berühren;
sie werden nur durch das Schwingen der Instrumentendecke zum Klingen
gebracht und dienen dazu, bei einem Stoppen des Rades weiterzuklingen.
Das Instrument wurde vermutlich schon vor ca. 1000 Jahren aus Asien
über Afrika in Europa eingeführt. Der älteste Nachweis
über einen Vorläufer unserer "heutigen" Drehleier
stammt aus dem 12. Jahrhundert und ist in Form eines Organistrums
als Relief an der Kathedrale von Santiago de Compostella in Spanien
zu finden. Es wird von zwei Spielern betätigt, wobei der eine
die Kurbel dreht, während der andere die Saiten mittels "Hebeln"
(den sogenannten Schlüsseln) verkürzt und so die Melodie
spielt.
Anfänglich wurde die Drehleier als sakrales und höfisches
Instrument verwendet. Doch als das Volk das Instrument für
sich entdeckte, wurde die Leier in höfischen Kreisen zum "Bettelinstrument"
degradiert. Bis zum 18. Jahrhundert war sie ein Instrument der Bettler
und Gaukler, bestenfalls eine "Bauren- und umblaufende Weyber-Leyer"
(Praetorius). Und sie war eins der wichtigsten mittelalterlichen
Streichinstrumente überhaupt. Das belegen zahlreiche Abbildungen.
Ein idealeres Instrument konnte man sich damals für die Liedbegleitung
nicht vorstellen: leicht zu transportieren, mit einfacher Klaviatur
spielbar, zur Begleitung brummten die Bass- oder Bordunsaiten immer
mit und ein geschickter Spieler konnte auf der Schnarrsaite sogar
den Rhythmus angeben.
Doch dann erlebte sie, vor allem auf französischem Boden,
eine neue Blüte, meist als vornehmes Dilettanten- und Virtuoseninstrument.
Sie war jetzt technisch so weit ausgereift, dass die melodiefähige
Einrichtung bereits den musikalischen Raum zweier Oktaven mit einer
chromatischen Tonfolge bediente. Viele namhafte Komponisten komponierten
Stücke für die Drehleier, darunter Daniel Francois Esprit
Auber und Joseph Haydn. Mit dem ausgehenden 19. Jahrhundert büßte
das Instrument seine hervorragende Stellung wieder ein. In der Mitte
des 20. Jahrhunderts wurde die Radleier von vielen Freunden der
alten und neuen Volksmusik als ideales Instrument für "zünftiges"
Musizieren entdeckt - ihre Renaissance ist zur Zeit in voller Blüte.
Besonders bei der Pflege mittelalterlichen Brauchtums hat die Radleier
in den verschiedensten Formen viele Freunde gefunden
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