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Opus heißt das neue Werk des dänischen
Projekts Afenginn, und ein Opus im klassischen Sinne ist es auch
geworden: vier Sätze wie bei einer Sinfonie, in denen sich
ein Klanguniversum weitab von traditionellen Mustern und Strukturen
entfaltet. Afenginn hat aus Folk, Weltmusik und Klassik einen Sound
geschaffen, der akustisch, innovativ, dynamisch und melancholisch
zugleich ist. Und er hat der Band eine Reihe hochdotierter Preise
bei den Danish Music Awards sowie weltweit Anerkennung und Erfolg
eingebracht.
Ins Leben gerufen wurde Afenginn 2002 in Kopenhagen
von dem Dänen Rune Kofoed und dem gebürtigen Finnen Kim
Rafael Nyberg, zwei Musikstudenten, die schon bald eine feste Formation
um sich scharten. Mit Mandoline, Geige, Klarinette, Kontrabass und
Schlagzeug verband Afenginn die mystische Schwermut des skandinavischen
Folk mit rhythmischem, energiegeladenem Balkan-Sound und schuf dabei
einen ureigenen Stil, der gerade auch live durch das überzeugte,
was das Wort Afenginn im Altnordischen bedeutet: Kraft und Berauschtheit.
Afenginn ging stets ungewöhnliche Wege: den ersten
Plattenvertrag erhielten die Musiker nach einem Gig auf den Färöer-Inseln,
als sie auf einem gesunkenen Fischerboot auftraten, das zu einer
Art Mini-Konzertclub umgebaut worden war. Sie spielten mit Sinfonieorchestern
oder bei Ballettproduktionen, schufen ein Album mit Bläsersätzen
und einem Männerchor, und wenn es überhaupt Gesang auf
ihren Platten gab und gibt - der Erstling Retrograd kam noch ganz
ohne aus - dann schreibt Timo Haapaniemi, ein guter Freund Kim Nybergs,
assoziative, surreale Texte, die sich aus verschiedensten Sprachen
speisen und lateinische, finnische, spanische oder auch deutsche
Elemente nebeneinanderstellen. "Ich wollte keine englischen
Texte", erklärt Nyberg, der von Anfang an die Kompositionen
für Afenginn erschuf, "da wird man so schnell in eine
Schublade gesteckt."
Mit dem zweiten Album Akrobakkus startete Afenginn
in Dänemark 2006 richtig durch, heimste einen renommierten
Musikpreis nach dem anderen ein und erhielt zwei Jahre später
ein hochdotiertes Stipendium vom Dänischen Kunstfond ("Statens
Kunstfond"). 2006 stieß der gefragte Session-Gitarrist
Aske Jacoby zur Band. Außer seinem musikalischen Talent brachte
er auch geschäftliches Know-How mit und eröffnete damit
neue Perspektiven - Afenginn unterschrieb kurz darauf beim deutschen
Label Westpark Music und spielte 2010 beim Roskilde Festival. Weitere
große Festivals und Showcases führte die Band u.a. zum
SXSW, zum Stimmen Festival und dem folkBaltica Festival, dem Spot
Festival oder dem Penang World Music Festival in Malaysia.
Auf ihrem fünften Album Lux, das 2013 erschien,
wandte sich Afenginn allmählich von dem Sound ab, den sie selbst
als "Bastard Etno" betitelt hatte. "Dieses Mal gingen
wir an die Musik heran wie ein klassisches Ensemble", erklärt
Nyberg, "und ich denke, das Ergebnis liegt irgendwo zwischen
bildhafter Kammermusik und Sigur Rós."
Mit Opus geht Afenginn nun noch einen Schritt weiter:
Nyberg, der selbst mehrere Danish Music Awards für seine Kompositionen
verliehen bekam, konzipierte das Album wie eine klassische Sinfonie,
als Werk aus vier Sätzen, jeweils etwa zwanzig Minuten lang
und durch wiederkehrende Motive und Rhythmen verbunden. "Opus
ist auf gewisse Weise ein Spiegel des Lebens - unkontrollierbar,
unvorhersehbar, aber dennoch irgendwie zu steuern," so Kim
Nyberg, "als Komponist macht es mir deutlich, dass verschiedene
Elemente oft ein Ganzes ergeben, das größer ist als die
Summe seiner Teile. Das möchte ich mit Opus unter anderem ausdrücken."
Tatsächlich spielte das Unvorhersehbare beim
Schaffensprozess von Opus eine große Rolle: Auf einer Australientour
verletzte sich Nyberg bei einem Unfall und saß daraufhin vierzig
Tage lang auf Tasmanien fest, weil er wegen eines Blutergusses nicht
fliegen durfte. Doch die erzwungene Ruhe fernab von Zuhause führte
zu einem ungeahnten Kreativitätsschub, der ihn ausgerechnet
in der Fremde wieder stark die Faszination der skandinavischen Folktradition
entdecken ließ. Als Nyberg schließlich wieder nach Kopenhagen
zurückkehrte, hatte er den Großteil des Materials für
Opus im Gepäck.
Eingespielt wurden die Tracks mit einer leicht veränderten
Mannschaft - Rune Kofoed verließ die Band in allseitigem Einvernehmen,
und für ihn kamen gleich zwei neue Schlagzeuger, Ulrik Brohuus
und Knut Finsrud, die Opus mit ihrem Parallelspiel eine stärker
rhythmusbetonte Struktur geben. Weiterhin mit dabei sind - neben
Kim Nyberg selbst an der Mandoline - Klarinettist Rasmus Krøyer,
Niels Skovmand an der Geige und Cellist und Bassist Erik Olevik.
Bei den Aufnahmen in Kopenhagen waren aber auch, wie bei jedem Afenginn-Album,
zahlreiche Gastmusiker mit dabei, beispielsweise der durch seine
Zusammenarbeit mit Yann Tiersen bekannte Sänger Ólavur
Jákupsson oder Ale Carr von Dreamers Circus an der Cister.
"Dänemark und Kopenhagen sind nicht so groß",
sagt Nyberg. "Die Szene dort ist klein, da kennt man sich gut."
Anspruchsvoll und mitreißend bewegt Opus mit
seinen leisen Tönen ebenso wie auch mit seinen wilden, überbordenden
oder hymnischen Momenten. Eine Platte, die keine leicht verdaulichen
Popsingles hervorbringt, dafür aber jenen, die sich darauf
einlassen, intensive, tiefe Erfahrungen bietet. "Eines wollte
ich mit dieser Platte unter Beweis stellen", erklärt Nyberg
im Gespräch, "Instantbefriedigung ist nicht alles, was
zählt. Es müssen nicht immer Facebook-Videos und kurze
Informationsschnipsel sein, man darf auch mal wieder etwas Größeres
erschaffen. Etwas, das eher wie eine richtige Beziehung ist - und
nicht nur ein One-Night-Stand."
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Afenginn bedeutet in der altnorwegischen Sprache soviel
wie kämpfen wie im Rausch. Auf
Island wird der Begriff immer noch benutzt als Bezeichnung für
einen bestimmten Grad des Rauschoder Euphorie-Zustandes. So als wollten
sich zu viele halluzinogene Pilze auf ihren Weg zum menschlichen Gehirn
machen. Das Wort hat aber auch eine esoterische Bedeutung: Die Berauschung
des Menschen durch die Musik. Und eines ist sicher: Afenginn live
auf der Bühne, mit Kim Rafael Nyborg in der Mitte - komplett
mit Rastalocken und Mandoline als Achse und Komponist, eine nicht
aufhaltbare Gestalt à la Obelix auf Zaubertrank -, ist ein
Wahnsinnsritt auf einem östrogen-manipulierten Basilisken! |
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